FAQ: Der Fuchs in der Literatur
7.2 Der Fuchs in der Literatur
7.2.1 Welche Arten von Geschichten über Füchse gibt es?
Füchse haben die menschliche Fantasie schon von je her zu den unterschiedlichsten Geschichten inspiriert.
Von den Jahrtausende alten Fuchsmythen Asiens und Südamerikas über die Fabeln der Antike sowie die mitteleuropäischen
„Reineke Fuchs“-Erzählungen bis hin zur modernen Tier- und Fantasyliteratur beschäftigen sich unzählige Legenden, Mythen
und Geschichten mit dem Fuchs. Er besetzt dabei sehr unterschiedliche Rollen (siehe auch
7.1.2 Was für Eigenschaften wurden/werden Füchsen im Volksglauben zugeschrieben?): Mal wird Vulpes vulpes
als egoistischer Schurke, mal als strahlender Held, mal als unbeugsamer Rebell gegen die Obrigkeit, mal als zwielichtiger Vagabund dargestellt.
7.2.2 Welche bekannten Fabeln handeln von Füchsen?
Illustration zu "Der Fuchs
und die Trauben" (nach Oudry)
Fabeln sind kurze Erzählungen mit belehrender Absicht, in der Tiere – mitunter aber auch Pflanzen und
Gegenstände – menschliche Eigenschaften erhalten. Die Handlung von Fabeln gipfelt meist in einer Schlusspointe, aus der
eine allgemeine moralische Aussage resultiert. Die Fabel war vielen Dichtern ein willkommenes Mittel, um unter dem
Deckmantel vordergründig harmloser Tiergeschichten Kritik an ihren Zeitgenossen zu üben, ohne dafür Repressalien erwarten
zu müssen.
Füchse gehören neben etwa Löwe oder Wolf zu jenen Tieren, die besonders oft in Fabeln vorkommen. Meist nutzen sie dabei
die Schwächen anderer Tiere durch List und Schläue aus (wie etwa in Aesops „Der Fuchs und der Rabe“) und gehen selbst
dann siegreich aus Auseinandersetzungen hervor, wenn sie körperlich unterlegen sind (wie in „Der Fuchs und der Wolf“
von Jean de la Fontaine). Bisweilen wird der Fuchs aber auch selber hereingelegt – meist als Folge seiner eigenen
Überheblichkeit, wie etwa in Fontaines „Der Fuchs und der Storch“.
Zu den bekanntesten Fabel über Füchse gehören
- Aesop (siehe z.B. Fabeln von Aesop): Der Fuchs und der Rabe, Der Fuchs und die Trauben, Der Fuchs und der Löwe
- Jean de la Fontaine (siehe z.B. Fabeln von La Fontaine): Der Fuchs und der Wolf (am Brunnen), Der Fuchs und der Hahn, Der Fuchs und der Storch
- Gotthold Ephraim Lessing (siehe z.B. Fabeln von Lessing): Der Affe und der Fuchs, Der hungrige Fuchs
7.2.3 Woher kommt der Name „Reineke“?
In der Literatur des europäischen Mittelalters sind Tiererzählungen mit Füchsen in großer Zahl zu finden. Ab dem 12.
Jahrhundert wurde der Fuchs zur Hauptfigur umfangreicherer Dichtungen, in denen er als Reinardus, Reinhart oder Reynaert
auftrat – Wortkompositionen, die sich wohl aus den Begriffen „regin“ (=Rat) und „hart“ (stark, kühn) zusammensetzen, und
die man sinngemäß als „Der an Listen Reiche“ übersetzen könnte. Die heute verbreitete Form „Reineke“ geht auf die „Reineke
Fuchs“-Versionen von Gottsched und Goethe zurück (siehe dazu
7.2.5 Wie viele Varianten des Reineke-Epos gibt es?).
7.2.4 Worum geht es in der Geschichte des “Reineke Fuchs”?
Reineke triumphiert
(Illustration von W. v. Kaulbach)
Reineke nimmt dabei keineswegs die Rolle eines strahlenden Helden ein - ganz im Gegenteil: Als der Löwe Nobel, König
der Tiere, zum Hoftag lädt, bleibt der Fuchs als einziger fern. Nicht ohne Grund, wie sich herausstellt: Die Anwesenden,
allen voran der Wolf Isegrim, beschweren sich über die Untaten und Verbrechen Reinekes und fordern vehement seine Bestrafung.
Kater und Bär werden nacheinander losgeschickt, um Reineke aus seiner Burg Malepartus an den Hof zu bringen, doch sie beide
fallen auf Tricks des Fuchses herein und kommen dabei fast zu Tode.
Zunächst scheint Reineke den Bogen überspannt zu haben: Der König zwingt Reineke, vor Gericht zu erscheinen, und der Fuchs
wird zum Tode verurteilt. Den Kopf bereits in der Schlinge, gelingt es Reineke, den gierigen König mit einer als Beichte
getarnten Lügengeschichte über einen unermesslichen Goldschatz auf seine Seite zu ziehen. Bär und Wolf werden zu Hochverrätern
erklärt und in den Kerker geworfen; der Fuchs kommt davon und gibt vor, sich reumütig auf eine Pilgerreise zu begeben. Lampe,
der Hase, muss ihn begleiten. Unverfroren, wie Reineke jedoch ist, tötet er seinen Reisegefährten, verzehrt ihn und schickt
den Kopf an den König zurück. Bär und Wolf werden von Nobel rehabilitiert.
Der Dachs Grimbart, Freund Reinekes, legt nach der Rückkehr des Fuchses bei Nobel ein gutes Wort für Reineke ein und bringt
ihn erneut zum Hof. Dort beginnt eine zweite Gerichtsverhandlung, in deren Verlauf weitere Schandtaten des Fuchses ans
Licht kommen. Reineke, unterstützt vom Dachs, stellt dem Wohltaten seiner Familie entgegen, darunter auch die Rettung von
Nobels krankem Vater. Als der Wolf Isegrim jedoch den Vorwurf erhebt, der Fuchs habe seine Gattin Gieremund geschändet,
beschließt der König, Isegrim und Reineke in einem Zweikampf gegeneinander antreten zu lassen. Damit scheint es einmal mehr,
als habe Reineke sein Leben verwirkt: Dem großen Wolf, seinem Erzfeind, ist er körperlich weit unterlegen.
Dennoch gewinnt Reineke, indem er den Wolf auf sehr unsportliche Weise mit Sand und Harn blendet und ihn so schließlich
außer Gefecht setzt. Der Sieg beeindruckt Publikum und König so sehr, dass Reineke freigesprochen und zum Kanzler
des Reichs ernannt wird.
7.2.5 Wie viele Varianten des Reineke-Epos gibt es?
Reineke Fuchs ist das wohl mit Abstand bekannteste Tierepos Europas. Die zahllosen Varianten der Geschichte reichen bis
ins Mittelalter zurück und stammen von Dichtern in den verschiedensten mittel- und westeuropäischen Ländern.
Holzschnitt aus dem "Lübecker Druck"
(um 1500)
Bereits im 12. oder 13. Jahrhundert entstand in Frankreich der Roman de Renart, in dem der Fuchs Renart durch List und
Schläue über Wolf und Löwe triumphiert. Die Gesellschaft, in der die betreffenden Tiere leben, weist dabei viele
Parallelen zur höfischen Welt jener Zeit auf, deren Vertreter durch das Vermischen von menschlichen und tierischen
Verhaltensweisen parodiert werden. Als Beleg für den erheblichen Einfluss dieses Werks und seiner zahlreichen Varianten
kann die französische Sprache gelten, in der das Wort "goupil" als Bezeichnung für den Fuchs schließlich durch das heute
gebräuchliche "renard" abgelöst wurde.
In Anlehnung an den Roman de Renart entstand im 14. Jahrhundert im Elsass der mittelhochdeutsche Reinhart Fuchs.
Der Fuchs tritt in diesem gesellschaftskritischen Werk als
Königsmörder auf, indem er den Löwen am Schluss der Erzählung vergiftet. Etwa zur selben Zeit erschien eine mittelniederländische
Bearbeitung des Epos unter dem Titel „Van de vos Reynaerde“ mit offenem Ende.
Reineke bei König Nobel:
Illustration Wilhelm von Kaulbachs zu
"Reineke Fuchs" (1846)
Im Jahre 1498 brachte Hans van Gethelen in Lübeck eine niederdeutsche Version des Reineke-Epos unter dem Titel Reynke
de Vos auf den Markt, die im 16. Jahrhundert in Mitteleuropa und Skandinavien große Verbreitung erlangte. Dieses Buch
war in Versform verfasst, wobei die einzelnen Kapitel mit Prosakommentaren versehen waren, in denen die Geschehnisse
noch einmal – bezogen auf den menschlichen Alltag – kommentiert wurden. Im 16. und 17. Jahrhunderts erschienen in
verschiedenen europäischen Ländern Varianten und Übersetzungen des ursprünglichen Lübecker Drucks, die zum Teil mit
aufwändigen Illustrationen versehen waren.
Der einflussreiche Gelehrte Johann Christoph Gottsched (1700-1766) veröffentlichte im Jahr 1752 schließlich eine
neuhochdeutsche Prosafassung unter dem Titel „Reineke der Fuchs“. Die Illustrationen des niederländischen Künstlers
Allart van Everdingen kamen im Gegensatz zu den meisten anderen Reineke-Versionen ohne sonderliche Vermenschlichungen
der Tiere aus – Reineke und seine Zeitgenossen laufen darin auf vier Beinen und bedienen sich keiner menschlichen
Insignien.
Illustration zu einer bei Gatternicht
erschienenen Kinderbuchausgabe
von Goethes "Reineke Fuchs".
Die heute wohl bekannteste Fassung des Reineke Fuchs stammt von Johann Wolfgang von Goethe. Das Werk des Dichterfürsten
erschien im Frühjahr 1794 in Berlin und besteht aus mehr als 4000 Versen in Hexametern, die in zwölf „Gesänge“ aufgeteilt
sind. Er hielt sich inhaltlich dabei eng an die Reineke-Bearbeitung Gottscheds. Die Illustrationen, die der Maler Wilhelm
von Kaulbach für die 1846 von der Cotta’schen Verlagsbuchhandlung auf den Markt gebrachte Ausgabe des Werks anfertigte,
gehören zu den bekanntesten Reineke-Illustrationen.
Im 19. und 20. Jahrhundert erschienen weitere Bearbeitungen des Reineke-Epos in unterschiedlichen Formen, von denen
jedoch keine die Verbreitung der Goethe’schen Fassung erlangte. Darüber hinaus veröffentlichte Friedrich Rassmann 1820
eine vereinfachte und gesäuberte Kinderbuchversion, in der Gewalt und Sexualität – die Vorlage enthält unter anderem
eine Szene, in der die Wölfin Gieremund von Reineke vergewaltigt wird – weitestgehend gestrichen wurden. Rassmanns Bearbeitung
folgten weitere Textversionen für Kinder- und Jugendbücher in den verschiedensten Sprachen.
Dass die Geschichte um Reineke Fuchs nichts von ihrem Reiz eingebüßt hat, zeigt sich allein schon darin, dass noch immer Neu-
und Nacherzählungen des Stoffs erscheinen. Zu den besten davon gehören etwa die großartige illustrierte
Fassung von Reinhard Michl (2019) oder die
detailverliebte Nacherzählung von
Anne Louise Avery aus dem Jahr 2020.
7.2.6 Gibt es moderne Romane und Geschichten über Füchse?
Im 20. und 21. Jahrhundert sind Hunderte, wenn nicht Tausende an Romane, Novellen und Kurzgeschichten über Füchse publiziert worden. Von
klassischen, meist jagdlich geprägten Tiergeschichten wie etwa "Fuchsspur" von Daniel P. Mannix, das als Vorlage für das
Disney-Werk "Cap und Capper" diente, über Kinder- und Jugendbücher wie die in viele Sprachen übersetzte "Farthing Wood"-
Serie (dt.: "Als die Tiere den Wald verließen") des britischen Schriftstellers Colin Dann bis hin zu kitschig-romantischen
Werken wie Kij Johnsons "The Fox Woman" finden sich Füchse in den unterschiedlichsten Literaturgenres.
Die wichtigsten neueren Bücher, in denen ein Fuchs die Rolle des Protagonisten übernimmt, werden auf der Seite
Literatur über Füchse
vorgestellt.
7.2.7 Gibt es Comics über Füchse?
Cover eines "Fix und Foxi"-Hefts
Der bekannteste deutschsprachige Comic dürfte wohl „Fix und Foxi“ sein, der als das über lange Zeit erfolgreichste deutsche Comicmagazin
(mit zwei Unterbrechungen) von 1953 bis 2010 herausgegeben wurde und auf eine Gesamtauflage von über 750 Millionen Exemplaren
kommt. Die beiden Füchse Fix und Foxi dienen als sympathische, aufgeschlossene und sozial engagierte Protagonisten, die sich
als Identifikationsfiguren für Jugendliche eignen, aber – von körperlichen Merkmalen wie dem buschigen Schweif
abgesehen - nur wenige „klassische“ füchsische Eigenschaften besitzen. Computerspiele, Filme und eine Fernsehserie über
Fix und Foxi, die in mehr als dreißig Ländern ausgestrahlt wurde, dokumentieren die Popularität der beiden
Cartoon-Füchse (siehe dazu die nach Rolf Kauka, dem im Jahr 2000 verstorbenen Erschaffer von Fix und Foxi, benannte
Kaukapedia).
Ebenfalls große Verbreitung erlangten die Comics, die parallel zu der BBC-Zeichentrickproduktion „Die Tiere vom Thalerwald“
erschienen. Die auf den Jugendbüchern von Colin Dann basierende Serie erzählt die Geschichte einer bunt gemischten Gruppe
von Tieren, die sich nach der Zerstörung ihres Lebensraums auf die gefahrvolle Suche nach einer neuen Heimat begeben.
Dabei werden sie von dem klugen, besonnenen Fuchs angeführt, der durch und durch als Sympathieträger fungiert. Anders
als bei den eher belanglosen „Fix und Foxi“-Geschichten geht es hier um das Leben realer Tiere in ihrer realen Umgebung,
die von Gefahren in Form von Umweltzerstörung, Jagd und Naturgewalten geprägt ist.
Black Tapestries, ein englisch-
sprachiger Online-Comic
Weniger ruhmreiche Rollen haben Füchse dagegen oft als Nebencharaktere in anderen Comics inne. Smirre, der Fuchs aus
„Nils Holgersson“, übernimmt in der gleichnamigen Comicserie weitaus stärker als in Selma Lagerlöfs ursprünglicher Geschichte den Part des gefräßigen, aber oftmals dummen Bösewichts,
und in dem Erwachsenencomic „Blacksad – Arctic Nation“ steht ein ebenso demagogischer wie skrupelloser Polarfuchs an der
Spitze einer faschistischen Organisation.
Interessanterweise gibt es im englischen Sprachraum zahlreiche Webcomics mit füchsischen Hauptcharakteren. Dazu gehört
beispielsweise
Black Tapestries, eine düstere, bisweilen etwas verworrene Fantasy-Geschichte für Erwachsene, in der die
Protagonistin Loreley - eine Werfüchsin – zwischen die verfeindeten Gruppen der Menschen und der Kaetif, aufrecht
gehenden Tierwesen, gerät. Ganz im Gegensatz dazu steht der Strip
Faux Pas, der die amüsanten Abenteuer eines als
Filmtier ausgebildeten Fuchses mit seinen vierbeinigen Schauspielerkollegen erzählt. Auch empfehlenswert sind die
Geschichten von
Ozie and Millie, die mit ihrem philosophischen Hintergrund teilweise an Bill Wattersons „Calvin & Hobbes“
erinnern, und die manchmal etwas abgedrehten, dafür aber umso lustigeren
Tails from the Mynarski Forest.